Schule lebt

Über den Zusammenhang von Geo-Caching und Berufsorientierung

 

Von Christian Schlierkamp

 

Ausgestattet mit einem GPS-Empfänger pirscht eine Kleingruppe aus der 12. Klasse der Fachoberschule durch das Naherholungsgebiet Klatenberge am Rande des Wallfahrtsortes Telgte. 51 Grad. 59 Minuten. 22,32 Sekunden. Nördlicher Breitengrad. 7 Grad. 47 Minuten.  22.162 Sekunden. Östlicher Breitengrad. Dies sind die geographischen Zielkoordinaten, die die Gruppe zum Cache führen sollen. Der Cache ist eine Art Schatz, den es zu finden gilt. Leider funktioniert die GPS-Peilung nicht auf den Meter genau, so dass am vermeintlichen Fundort eine Fläche von ca. 15 qm bleibt, auf der eine fünf Zentimeter kleine Filmdose versteckt ist - im knöchelhohen Laub inmitten des Telgter Waldes.

 

Gefunden. Die Dose ist in einem hohlen Baumstamm versteckt. Der Versteck-Klassiker. Beim Öffnen der Dose kommt der Gruppe das durchnässte Logbuch entgegen. „WE WERE HERE!“ tragen die emsigen Schatzsucher in Großbuchstaben hinein.

 

Sich im offenen Gelände zu orientieren ist auch mit GPS-Unterstützung eine Herausforderung. Das Suchspiel im Waldgebiet Klatenberge nennt sich Geo-Caching; die Szene ist Teil einer erlebnispädagogischen Exkursion der Fachoberschulklassen am Schuljahresende.

 

Was hat das mit Berufsorientierung zu tun?

 

Wie beim Geo-Caching sollte man auch bei der Berufswahl die Orientierung nicht verlieren. Am Ende der Schulzeit stehen Schülerinnen und Schüler vor den Übergängen Schule-Beruf / Schule-Studium, die biografische Einschnitte mit Chancen und Herausforderungen sind. Vom überschaubaren Schulalltag eines bischöflichen Berufskollegs werden die Schulabgänger auf einen unübersichtlichen Markt der Möglichkeiten entlassen: Laut Hochschulrektorenkonferenz warten an die 10.000 grundständige Studiengänge und über 500 Ausbildungsberufe! Der Übergang kann nur gelingen, wenn die Fülle an Berufsoptionen nicht zu lähmender Überforderung führt. Mit seiner breit angelegten KAoA-Kampagne (Kein Abschuss ohne Anschluss) verfolgt auch das NRW-Schulministerium das Ziel, keinen Schüler ohne berufliche Anschlussperspektive aus der Schule zu entlassen. Wie kann diese KAoA-Vorgabe im Schulalltag umgesetzt werden?

 

Um Berufe und Studiengänge für alle erleb- und erfahrbar zu machen und berufliche Anschlussperspektiven auszuloten, sind Exkursionen an der Hildegardisschule fester Bestandteil der Berufsorientierung. Die Suche nach der richtigen Ausbildung oder dem richtigen Studium führt unsere Schülerinnen und Schüler dabei an folgende außerschulische Lernorte:

 

N 51 ° 56 ' 52.548 ''

 

O 7 ° 38 ' 18.958 ''

 

Diese Koordinaten führen in die Halle Münsterland. Hier finden die großen Ausbildungs- und Studienmessen statt. Sie heißen HORIZON und vocatium Münsterland und werden zentral organisiert. Bei der vocatium-Messe für Ausbildung und Studium nehmen die Schüler an bis zu vier personalisierten Beratungsterminen verschiedener Universitäten oder Unternehmen ihrer Wahl teil. Jeder Schüler bekommt eine schriftliche Einladung zu seinen Beratungsgesprächen. Die Vorbereitung und Durchführung der Auswahl findet in einigen Bildungsgängen an der Schule statt.

 

Die Halle Münsterland ist zudem auch der Treffpunkt für das jährliche IHK-Azubi-Speed-Dating: Hier geht das Kennenlernen von Firmen noch schneller. Bei den Geschwindigkeits-Treffen haben potenzielle Azubis die Chance verschiedene Arbeitgeber kennenzulernen. Aus dem formlosen Dating-Gesprächen kann schnell ein Stell-dich-ein werden. Das Speed-Dating ist vor allem in der Höheren Handelsschule sehr beliebt und die Teilnahme in den Bildungsgang integriert.

 

N 51 ° 56 ' 52.548 ''

 

O 7 ° 38 ' 18.958 ''

 

Die Koordinaten führen zur Brillux GmbH & Co. KG. Der Kooperationspartner im Rahmen der offiziellen IHK-Kooperation Schule-Betrieb lädt die kaufmännischen Klassen regelmäßig zu einer Betriebsbesichtigung ein. Natürlich wird dabei auch etwas Marketing betrieben und der Betrieb als moderner Arbeitgeber vorgestellt.

 

N 51 ° 56 ' 52.548 ''

 

O 7 ° 38 ' 18.958 ''

 

Die Koordinaten führen zur Agravis AG, einem weiteren Kooperationspartner der Hildegardisschule. Zur Vorbereitung auf die anstehende Bewerbungsphase wird mit einer Vorentlassklasse ein Assessment-Center, geleitet von Konzernmitarbeitern aus der Personalabteilung, durchgeführt. Für die 15-minütigen Feedback-Gespräche kommen die Personaler sogar in die Hildegardisschule und geben jedem Teilnehmer individuelle Rückmeldung.

 

N 51 ° 56 ' 52.548 ''

 

O 7 ° 38 ' 18.958 ''

 

Sie führen zur Katholischen Hochschule in die Piusallee. Hier findet jährlich das Studieneingangsprojekt des Studiengangs Soziale Arbeit statt. Hier sammeln FOS-Klassen mit dem erziehungswissenschaftlichen Schwerpunkt erste Erfahrungen mit dem System Hochschule. Der Austausch mit den angehenden Bachelor-Studierenden erweist sich dabei als befruchtende Praxis für beide Seiten.

 

Die ausgewählten Beispiele der Vernetzung mit außerschulischen Lernorten zeigen, dass die Berufsorientierung an der Hildegardisschule ähnlich funktioniert wie ein GPS-Gerät und den Schülerinnen und Schülern neue Pfade eröffnet: Die Vernetzung erweitert die Lehr- und Lernangebote unserer Schule, erschließt gemeinsam Potenziale für eine nachhaltige Berufsorientierung und zeigt Schülerinnen und Schülern Wege zum Handeln und Gestalten in unserer Wissensgesellschaft auf.

 

Mit zunehmender Ausdifferenzierung der Berufs- und Arbeitswelt ist die Berufsorientierung auch nach dem unterschriebenen Ausbildungsvertrag längst nicht abgeschlossen. Für die weitere Ortung und Feinjustierung in der Berufswelt haben wir unseren Absolventinnen und Absolventen einen Kompass an die Hand gegeben. Sollte damit aus Beruf Berufung werden, dann ist das „Wisse-die-Wege“-Leitmotiv der Hildegardisschule lebendig. Sie hätten ihren Bestimmungsort erreicht.