LehrerInnen denken II

Mit Schneewittchen und Minnie Maus durch den Wald

 

Ein erlebnispädagogisches Projekt

 

Von Dr. Uwe Böseler

 

Was werden sie wohl gedacht haben, die Jogger und die Nordic-Walking-Gruppen, die - mit oder ohne Skistöcke – an einem Dienstagvormittag im Mai durch den Wald im Naturschutzgebiet Klatenberg / Telgte zogen? Überrascht werden sie gewesen sein, die regelmäßig hier Fitness und Erholung suchen.

 

Normalerweise ist es zwar nicht ungewöhnlich, dass Jugendliche in Gruppen auftreten, immer einen Blick auf ihr Smartphone haben und sich damit auch fotografieren. Nur dieses Mal waren die Jugendlichen zum Teil verkleidet – als Märchenfigur, Comic-Held oder Romangestalt. Und das, obwohl Karneval längst vorbei war. Und es waren viele Jugendliche im Wald: 18 Gruppen mit insgesamt 100 Personen.

 

Was fand hier also statt?

 

Im Grunde ganz einfach: der erlebnispädagogische Tag der FOS 12. Kurz vor dem Abschluss der Schulausbildung sollte exemplarisch ein pädagogisches Konzept nicht nur theoretisch durchdrungen, sondern auch praktisch erfahren werden.

 

Dazu hatten die Lehrerinnen und Lehrer dieses Waldgebiet ausgekundschaftet und in mehreren Vorbereitungsfahrten insgesamt 37 Aufgaben vorbereitet.

 

Das konnten kreative Aufgaben sein, wie ein Waldmonster zu schaffen oder eine Wallfahrtsgrotte zu gestalten, oder mathematisch-naturwissenschaftliche, wie die Anzahl der Bewohner eines Ameisenhaufens zu schätzen oder den Flächeninhalt eines Dreiecks zu berechnen, das durch die Äste eines umgestürzten Baumes gebildet worden war. Außerdem gab es sportliche Aufgaben wie zum Beispiel Limbotanz oder Waldhürdenlauf sowie Kombinationen dieser Aufgabentypen wie die Erfindung und Ausführung des Spiels „Waldball“.

 

Pädagogische Ziele dabei waren vor allem Gruppenerfahrung, Naturerfahrung, Überwindung eigener Grenzen, sich Einlassen auf ungewohnte Situationen sowie das Einbringen unterschiedlicher Fähigkeiten, um erfolgreich zu sein.

 

An dem Tag selber starteten die Gruppen bei strahlendem Wetter von drei verschiedenen Startpunkten. Alle Gruppen waren mit einer Karte des Waldgebiets und mindestens zwei Smartphones ausgestattet. Über WhatsApp erhielt jede Gruppe ihren ersten Auftrag. Dieser Auftrag bestand aus drei Teilen: der Formulierung der Aufgabe, einem Kartenausschnitt und einem Foto, das die Stelle markierte, an der die Aufgabe zu erfüllen war.

 

Also musste die jeweilige Gruppe sich zuerst durch einen Vergleich des Kartenausschnitts mit der Karte orientieren (Wo sind wir? Wo müssen wir hin?) und den Punkt finden, an dem das Foto gemacht worden war. Dort angekommen, musste balanciert, geklettert, getanzt oder gereimt werden. Die Erledigung der Aufgabe wurde durch ein Foto, ein Video oder ein Audiofile dokumentiert, das per WhatsApp an den betreuenden Lehrer bzw. die betreuende Lehrerin geschickt wurde. Von dort aus bekam die Gruppe dann ihre nächste Aufgabe, später die dritte und schließlich die vierte Aufgabe.

 

Das führte dazu, dass sich die Gruppen in dem Waldstück zwar begegneten (aber nicht gegenseitig helfen konnten) und viele Aufgaben von mehreren Gruppen bearbeitet wurden, aber nie gleichzeitig.

 

Die größte Herausforderung bestand darin, sich anhand der Karte und der entsprechenden Ausschnitte im Wald zu orientieren. Zur Erleichterung aller (v.a. der Lehrerinnen und Lehrer) blieb keine Gruppe verschollen.

 

Gegen Mittag trafen die Gruppen dann nach und nach am vereinbarten Zielpunkt ein, wo sie eine schmackhafte Mahlzeit in Form eines Buffets mit viel Rohkost („gesunde Schule“!) erwartete, dem ausgiebig zugesprochen wurde. Schließlich macht ein bewegungsreicher Vormittag im Wald Stadtkindern und –jugendlichen reichlich Hunger.

 

Mit einer Siegerehrung und Auszeichnung aller Gruppen endete die Veranstaltung.

 

Und was hatte es jetzt mit den Harry Potters, Rotkäppchen und Benjamin Blümchens auf sich? Die Erklärung ist einfach: Der erlebnispädagogische Tag fiel in die Mottowoche zum Abschluss der Fachoberschule. Mottotag war „Helden der Kindheit“. Und nicht alle nahmen die freundlichen Hinweise der Lehrerinnen und Lehrer in Bezug auf festes Schuhwerk und witterungsbeständige Kleidung ernst. So schleppte sich dann manche Elfe oder Fee mit Blasen an den Füßen zum Zielpunkt. Auch ein Erlebnis.