LehrerInnen denken

Didaktik von unten

 

Erste Erfahrungen mit zwei Tablet-Klassen an der Hildegardisschule

 

Von Eva Siestrup, Alexander Feldmann und Meinolf Bömelburg

 

Die wesentlichen methodischen bzw. didaktischen Impulse der letzten Jahrzehnte kamen in der Regel „von oben“: Die unter den Stichworten „Klippert“, „kooperatives Lernen“, „kollaboratives Lernen“ und „kompetenzorientertes Lernen“ in der Schule wirksamen Innovationen folgten Forderungen aus Wirtschaft und Industrie sowie Ergebnissen der empirischen Schulforschung; sie wurden dann über die Schulministerien flächendeckend verordnet.

 

Auch die Digitalisierung des Unterrichtes orientiert sich an den veränderten Erwartungen der Ökonomie, dennoch setzte sie sich zunächst „von unten“ durch. Sie  verändert Schule und Unterricht zunächst in einem schleichenden praktischen Prozess ohne reflektierte konzeptionelle Struktur:

 

Schulen werden, soweit die Mittel zur Verfügung stehen, mit Beamern, Laptops, Dokumentenkameras etc. ausgestattet, Lehrerinnen und Lehrer nutzen die Geräte zunehmend zur Planung und Durchführung von Unterricht, Schülerinnen und Schüler setzen wie selbstverständlich eigene und von der Schule zur Verfügung gestellte Geräte zur Recherche bzw. zur Dokumentation und Präsentation von Arbeitsergebnissen ein.

 

Um diesen Prozess mit dem langfristigen Ziel der Entwicklung einer neuen didaktischen Struktur zu systematisieren und den Ertrag solcher Veränderungen evaluieren zu  können, entwickelten wir Mitte des letzten Schuljahres die Idee, in der Höheren Handelsschule sowie in der Fachoberschule für Ernährung und Hauswirtschaft jeweils eine Tablet-Klasse einzurichten. Jede Schülerin / jeder Schüler sollte mit dem gleichen Tablet ausgestattet sein, das sich jeweils im Besitz der Schülerin / des Schülers befindet  und in jeder Unterrichtsstunde zur Verfügung steht.

 

Eine großzügige Spende der Firma Brillux ermöglichte es uns, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, indem die Schülerinnen und Schüler der beiden Klassen bei der Anschaffung des Gerätes finanziell unterstützt wurden. 

 

Von Beginn an war es uns ein Anliegen, dieses Experiment, das über insgesamt vier Jahre laufen wird,   systematisch zu evaluieren und ggf. auch unmittelbare Konsequenzen zu ziehen.

 

Folgende Fragen beschäftigen uns:

 

  • Macht das Lernen nun mehr Spaß, wird sich die Motivation der Schülerinnen und Schüler erhöhen?
  • Wird den Schülerinnen und Schülern das Lernen leichter gemacht, lassen sich auf diesem Weg bessere Lernerfolge erzielen?
  • Beherrschen Lehrerinnen und Lehrer -  und Schülerinnen und Schüler - die Technik, sodass ein weitgehend störungsfreier Unterricht möglich ist?
  • Wird sich das soziale Leben in den Klassen spürbar verändern, führt die Arbeit mit dem Tablet zu Vereinzelung, Isolierung?
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Im Folgenden versuchen wir, nach einem halben Jahr unterrichtlicher Erfahrung in den beiden Klassen, erste Antworten auf diese Fragen zu geben, und zwar aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer (stellvertretend dafür an dieser Stelle eine der beiden Klassenlehrerinnen) und aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler. Als Fazit formulieren wir einige Perspektiven, die sich aus diesen Erkenntnissen ableiten lassen.  

 

Die Klassenlehrerin

 

Als Klassenlehrerin der FOS 11a (Fachoberschule für Ernährung und Hauswirtschaft) unterrichte ich seit Beginn des letzten Jahres in einer der so genannten Tablet-Klassen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen kann ich daher bereits einige vorläufige  Antworten auf einenTeilder oben genannten Fragen geben.

 

Auf jeden Fall habe ich festgestellt, was mir auch von meinen Schülerinnen und Schülern häufig bestätigt wird, dass die Tablets die Motivation steigern und dafür sorgen, dass Lernen mehr Spaß macht. Apps zum Lernen gibt es reichlich und es bietet einfach neue Lernerfahrungen, wenn zum Beispiel alle mit ihren Tablets am selben digitalen Arbeitsblatt arbeiten oder an einem Quiz teilnehmen können, bei dem jeder gegen jeden - mit dem eigenen Tablet - spielt. Wenn man Lust darauf hat, bieten die Tablets unzählige neue Möglichkeiten für den Unterricht.

 

Ob die Lernerfolge größer sind, kann ich (noch) nicht definitiv beurteilen. Allerdings kennt man häufig  die Situation, dass Schülerinnen und Schüler ihre Bücher vergessen. Ein Vergessen des eigenen Tablets hingegen, das kam so gut wie noch nie in meiner Klasse vor. Dieses ist vielleicht auch ein Indikator dafür, dass das Arbeiten mit dem Tablet motivierender ist und die Schülerinnen und Schüler nicht darauf verzichten möchten.

 

Da viele Schülerinnen und Schüler bereits ein Smartphone besitzen und Zuhause häufig mit neuen Medien arbeiten, beherrschen sie den Umgang mit der Technik generell sehr gut. Zudem benutzen sie ihre Tablets auch privat, so dass sie auch mir häufig etwas Neues (sei es eine neue App oder eine neue Einstellung) zeigen können. Ich, als Lehrerin, musste mich auch erst einmal einarbeiten, konnte vieles ausprobieren, Fortbildungen besuchen und immer mehr Möglichkeiten entdecken, die das Tablet für den Unterricht bietet. Zwar gibt es gelegentlich Probleme mit dem WLAN, aber generell ist ein weitgehend störungsfreier Unterricht möglich.

 

Es gibt sicherlich auch Situationen im Unterricht, in denen die Verwendung des Tablets nicht sinnvoll ist oder kleine Probleme auftreten. Daher wird jeder Einsatz gemeinsam evaluiert und überlegt, wann und wo das Tablet im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden kann und wie wir Probleme (z.B. eine übersichtlichere Speicherung) beheben können. So sorgen wir gemeinsam dafür, dass der Einsatz der Tablets im Unterricht immer mehr optimiert wird.

 

Jeder / jede kennt das Bild von Schülerinnen und Schülern, die in den Pausen ihre Smartphones verwenden. Auch ich konnte beobachten, dass die Tablets in den Pausen genutzt werden, aber das führt nicht dazu, dass Schülerinnen und Schüler vereinzeln. Vielmehr zeigen sie sich gegenseitig etwas auf ihren Tablets - anstatt auf ihren Handys - unterhalten sich darüber und lachen gemeinsam.

 

Insgesamt kann ich sagen, dass meine Klasse und ich viel Freude an der Arbeit mit den Tablets haben und ich eine Fortsetzung der Tablet-Klassen nur unterstützen kann.